Presseschau RBS - Mix: H.U.Steiner
ÖFFENTLICHER VERKEHRBlaues Bähnli jubiliert nicht alleinDas Muritram, das 12 Prozent mehr Passagiere befördert seit sich die Endstation beim Casinoplatz befindet, ist 100jährig. Dieses Jubiläum wird an diesem Wochenende zusammen mit dem Tramverein Bern begangen, der ebenfalls jubiliert.MICHAEL MÜLLER Die Organisatoren des grossen Jubiläumsfests richten mit der grossen Kelle an: Gleich auf zwei Plätzen soll dieses Wochenende gefeiert werden, nämlich im Depot Burgernziel der Städtischen Verkehrsbetriebe (SVB) und in der Tramremise Worb. Damit wird ausgedrückt, was die Linie G des Regionalverkehrs Bern-Solothurn (RBS) so wichtig macht: Die Verbindung zwischen Stadt und Land, der Kontakt zwischen dem Zentrum und der Peripherie. Und wer sich für keinen der beiden Festplätze entscheiden kann und sich weder hier noch dort, sondern unterwegs zuhause fühlt, hat immer noch die Gelegenheit, auf der Fahrt zwischen Bern und Worb in historischen Tramkompositionen den Feiertag zu begehen. Altes RollmaterialDies allerdings ist nur am Sonntag möglich, denn am Samstag konzentrieren sich die Festivitäten ganz auf das Burgernziel. Gastgeber ist hier der Tramverein Bern (TVB), der sich die Erhaltung von altem Rollmaterial auf die Fahne geschrieben hat. Neue Fahrzeuge würden meist mit Pauken und Trompeten begrüsst, fast niemand frage aber, was mit den alten Wagen geschehe. «Meist werden sie vergessen und gehen den Weg zum Schrotthändler. Jahre später fragt man sich plötzlich, weshalb man keinen dieser Zeugen einer historischen Entwicklung erhalten hat», stellt der TVB in den Unterlagen zu seinem 25. Geburtstag fest. Saurer-SchnauzenbusDieses Wochenende besteht Gelegenheit, diese stummen Zeugen aus Eisen und Stahl im Burgernziel zu besichtigen. Seit der Modernisierung des SVB-Schienenmaterials vor 25 Jahren hat der TVB insgesamt 15 Fahrzeuge zusammentragen können - darunter ein Stadtberner Saurer-Schnauzenbus mit Baujahr 1929, ein SVB-Tramzug aus dem Jahr 1935, ein Triebwagen der Montreux-Oberland-Bahn (MOB) und - als ältestes Modell - eine Dampftram-Lokomotive mit Jahrgang 1894. Sie kann am Wochenende allerdings nur zerlegt gezeigt werden, da sie zurzeit renoviert wird. Die 15 Fahrzeuge des TVB sind an neun verschiedenen Standorten, fast in der ganzen Schweiz und sogar im Ausland eingelagert. Eine unbefriedigende Situation für die Mitglieder des Tramvereins. Sie haben darum folgende Vision entwickelt: Eine grosse Halle als Berner Busmuseum, in der auch Schienenfahrzeuge ausgestellt werden könnten - quasi ein zweites Verkehrshaus. Diese Vision will der Tramverein dieses Wochenende an die Öffentlichkeit tragen; er sucht neue Aktivmitglieder und neue Ideen, «um auch weitere Fahrzeuge noch vor dem Verschrotten retten zu können», wie er schreibt. Trolleybus-KinoAm Festprogramm wird es jedenfalls nicht liegen, wenn der TVB keine neuen Mitglieder gewinnen kann. Nebst kommentierten Rundfahrten in einem historischen Bus, der erwähnten Ausstellung, diversen Verkaufs- und Informationsständen sowie einer Festwirtschaft wird sogar ein Trolleybus-Kino zu besichtigen sein. Ein Stück jedoch, sozusagen der Anlass für das grosse Fest, nämlich das Bläue Bähnli selber, wird leider fehlen. Der Tramverein besitzt zwar zwei Kompositionen des legendären Zugs; sie sind jedoch in einer Garage im Elsass. Am 21. Oktober 1898 nahm die Dampfbahn von Bern über Muri und Gümligen nach Worb ihren Betrieb auf. Ab 1910 war die Linie der Bern-Worb-Bahn, wie sie seit 1907 hiess, elektrifiziert. 1927 schloss sie sich mit der Worblentalbahn zu den Vereinigten Bern-Worb-Bahnen (VBW) zusammen, und drei Jahre später erhielten die Züge den blau-weissen Anstrich, welcher der Linie den Namen Blaues Bähnli eintrug. «Feuriger Elias»Während am Samstag ausschliesslich im Burgernziel gefeiert wird, steigt das Fest am Sonntag auch in Worb. Es beginnt um 10.00 Uhr mit einem Brunch in der Tramremise. Ab Worblaufen verkehrt ein Dampfzug (Abfahrt 9.33 Uhr). Das TVB-Cüpli-Tram bringt ab 9.00 Uhr die Bernerinnen und Berner nach Worb. Zwischen den Festplätzen verkehren zwischen 12.00 und 17.00 Uhr drei historische SVB-Tramkompositionen sowie das RBS-«Bistro Bleu». Ausserdem fährt der Tramzug «Feuriger Elias» ausnahmsweise zwischen Worb und Gümligen. 100 Jahre Blaues Bähnli / 25 Jahre TVB |
BLAUES BÄHNLI«Bahnsytig aagfrässe» auf dem Weg nach WorbVor 100 Jahren ist die Linie in Betrieb genommen worden. Am Wochenende haben zahlreiche Bahnbegeisterte den Geburtstag des Blauen Bähnlis gefeiert unter ihnen drei Männer, die zwischen Bern und Worb viel zu erzählen wussten.Von Wartburg Fritz, Böhlen Rolf und Wälti Edgar haben vor der Führerkabine des Trams Stellung bezogen. Wälti Edgars Frau steht dabei. Von Wartburg und Böhlen sind Lokführer, und Wälti hat in Gümligen jahrzehntelang die Züge abgefertigt. Alle drei kennen ihn wie ihre Westentasche, den schnellsten Weg nach Worb. Sie sitzen ja normalerweise in ihrem Kabäuschen hinter einer abgedunkelten Glaswand, und man kennt sie ja eigentlich gar nicht, die Tram- und Zugführer. Da hat so ein Fest doch seine positive Nebenerscheinung. Man sieht einmal, wie die Männer zuvorderst im Tram eigentlich aussehen. Früher sei dies anders gewesen, sagt von Wartburg Fritz. Früher habe der Tramführer noch alles gemacht - Billette verkauft und kontrolliert, Güter eingeladen und so weiter. Da hatte man noch Kontakt zu den Leuten. Heute seien viele Stationen nicht mehr bedient. «Früher durfte man nicht abfahren, ohne zu fragen.» Und beim Rangieren habe man selber schauen müssen, dass niemand darunter kam, seinerzeit. Der Zug fährt ab. Vom Burgernziel rechts in die Muriallee. Es gibt Leute, die sagen, Bähnler seien ein «eigetes Völklein». Eines hat sich am Samstag und am Sonntag gezeigt: Bähnler sind gute Väter. Wieviele Buben wurden auf die Schultern gehoben, als der SVB-Be 4/4 145, B311 herannahte. Alle durften sie auf der Fahrt in die Führerkabine schauen. Und besonders stolz waren die Buben, wenn dann der Vater seinem Kollegen im Führerstand zuwinkte, als das Tram davonfuhr. Der Bähnler-Gruss hat gewisse Ähnlichkeit mit dem Töffahrer-Gruss. Nur steckt scheint's mehr Engagement dahinter, wenn die Bähnler zum Gruss ihren Zeigfinger in die Fahrtrichtung des Zuges ausstrecken, im Sinn von «gute Fahrt Kamerad du wirst Deinen Weg machen hier geht's durch». Ein bisschen «eiget» sind die Bähnler aber vielleicht schon. Unsereiner fotografiert ja meist nur in den Ferien oder bei einem Familienfest die Kinder. Und wenn es hoch kommt vielleicht mal eine Dampflokomotive. Bähnler hingegen fotografieren praktisch ausschliesslich Bahnwagen und riskieren dabei erst noch Kopf und Kragen. Wie jener Mann, der am Sonntag in Gümligen aus dem Zug gesprungen ist, bevor dieser hielt; dann rannte er an die Spitze der Lokomotive, wobei die schwere Fototasche an seine Hüftknochen schlug, dass es einem beim Zuschauen weh tat, und er dann noch fast unter den Zug stolperte. Böhlen Rolf ist auch einer von ihnen. «Bahnsytig aagfrässe», sei er und besitze 107 Schachteln mit insgesamt wohl gegen 40'000 Dias - nur mit Bahnen, und 12 Bundesordner voller Ansichtskarten - nur mit Bahnen. Da ist von Wartburg Fritz mit seinen von A bis Z selber gebauten Modelleisenbahnwagen gerade noch heilig dagegen. Es war übrigens trotz den Wolken genügend hell zum Fotografieren am Wochenende. Vielleicht weil die Bähnler und Trämler, die haufenweise zwischen Bern und Worb anzutreffen waren, so strahlten. Es musste nur heissen:«RBS-Be 4/8 83» oder «SVB-Bre 4/4 647, Br 312» und schon glänzten ihre Augen, als wäre Weihnacht und Ostern gleichzeitig, oder wie dem Berner Gemeinderat Guggisberg seine Augen, der sich am Samstag auch noch schnell im Burgernziel zeigte. Wo wir grad von heilig gesprochen haben - rechts ist gerade noch die Kirche von Muri zu sehen, bevor der Zug zum Seidenberg hochfährt, wo früher einmal ein Bauernhaus und ein grosser Nussbaum standen. Von Wartburg Fritz weiss genau, wo man noch Überreste des Wurzelstocks sieht. Aber schon vorbei. Apfelbäume übrigens hat's dort immer noch. Wälti Edgars Frau hat kürzlich aufgelesen. Suurgrauech. Im Melchenbühl wird gekreuzt, dann geht's rein nach Gümligen, wo Wälti Edgar damals im Holzschuppen seinen Dienst versah. Hier befindet sich auch der Graben, wo sich von Wartburg Fritz wahrscheinlich seinen Rücken geholt hat. Die breitspurigen SBB-Wagen werden hier auf schmalspurige Rollschemel geladen, wobei die Schemel untereinander mit bis zu 120 Kilo schweren Eisenstangen verbunden werden. Weil die SBB-Wagen immer länger wurden, musste man mit der schweren Stange in der Hand unter die Wagen kriechen - natürlich Gift für den Rücken. Und dies bei jedem Wetter. Kam noch das Rheumatische hinzu. «Aber mit der Sicherheit nehmen sie es heute schon viel genauer als damals. Da kannst du fast keine Fehler mehr machen», sagt von Wartburg Fritz. Und wenn man irgendwann ein Signal überfahre, zu schnell oder zu langsam sei, werde man sofort automatisch gestoppt, und noch 14 Tage lang sei dann alles gespeichert im Computer. Sonst habe die Elektronik aber sicher ihre Vorteile - wenn sie nicht spuke. Dafür seien die Züge viel leiser geworden, fügt Böhlen Rolf hinzu. Das ist aber nicht nur positiv. Kürzlich nämlich kam Wälti Edgars Frau fast unters Tram, weil sie es nicht kommen gehört hatte. So hat alles seine zwei Seiten. Worb. 585 m ü. M. Endstation. Schön sanft hält der Zug. Das sei nicht etwa selbstverständlich, sagt von Wartburg Fritz. Es gebe nämlich zwei Sorten von Tramführern: Die einen fahren schön langsam in den Bahnhof ein, indem sie sukzessive das Tempo verringern, die anderen warten bis zum Schluss mit Bremsen, so dass es den Fahrgästen den Kopf nach vorne drückt wie dem Negerli in der Sonntagsschule, wenn es einen Batzen bekommen hat. Von Wartburg Fritz ist einer von denen, die es gelassen nehmen und an die Passagiere denken: «Ob man eine Minute früher oder später in den Himmel kommt - was nützt es.» Apropos Himmel: Kühl war's schon ein wenig am Wochenende. Frieren mussten die RBS-Angestellten aber nicht; sie haben gerade neue dunkelblaue Faserpelzjacken bekommen, die scheint's gehörig lang herausgekommen sind und manchem Bähnler fast bis zu den Knien reichen. Von Wartburg Fritz nimmt's wie gesagt gern ruhig. Nur wenn zwischen der Haltestelle Helvetiaplatz und der neuen Endstation Casinoplatz jeweils bis 40 Fahrgäste einsteigen - «nur für über die Brücke», dann ärgert er sich jeweils ein bisschen. Man ist ja schliesslich nicht irgendein SVB-Tram, sondern das Blaue Bähnli. MICHAEL MÜLLER |