Presseschau RBS - Mix: H.U.Steiner

 

RBS/VBW - Jubiläum 1998
      (100 Jahre Muri-Linie)

 

  Seit hundert Jahren mit dem blauen Tram in die Stadt (3.9.1998, Landbote)
  Bähnli wurde modernes Tram (9.10.1998, BZ)
  Blaues Bähnli jubiliert nicht allein (10.10.1998, Bund)
  «Bahnsytig aagfrässe» auf dem Weg nach Worb (12.10.1998, Bund)

 

Landbote, 3. September 1998

Seit hundert Jahren mit dem blauen Tram in die Stadt

Die Geburtstagsvorbereitungen für das Blaue Bähnli am 10./11. Oktober sind in vollem Gang

Seit dem 21. Oktober 1898 verbindet die Bern-Muri-Gümligen-Worb-Bahn das Dorf mit der Stadt. Geändert hat sich vieles, die blaue Farbe jedoch ist der Bevölkerung treu geblieben.

mkm. «Dr schnällscht Wäg nach Worb» ist vielleicht ein anderer als die RBS-Linie G, doch dieser ist sicher der traditionsreichste. Vor hundert Jahren konnte die schmalspurige Dampfstrassenbahn von Bern Helvetiaplatz nach Worb Dorf den Betrieb aufnehmen, die Betriebsführung oblag der Berner Tramway-Gesellschaft (BTG). Bereits 1904 übernahm aber die Bern-Muri-Gümligen-Worb-Bahn die Betriebsführung selber und von da an ging es bergauf. «In den 30er und 40er Jahren, vor dem Aufkommen des Autoverkehrs, mussten an Spitzenzeiten drei, vier Züge hintereinander nach Bern geschickt werden», weiss Jürg Aeschlimann, Betriebsinstruktor beim RBS. Ab 1944 konnte die Bahn zwischen Worb und Muri einer gründlichen Erneuerung unterzogen werden und nach Abschluss diverser Arbeiten konnte die Fahrgeschwindigkeit der Züge, die ab 1910 elektrisch fuhren, auf gewissen Strecken von bisher 50 km/h auf 65 km/h erhöht werden.

«In den 60er Jahren nahm der Strassenverkehr aber so enorm zu, dass der Bund 1957 das erste Eisenbahngesetz lancierte und das Defizit der RBS-Bahn zu übernehmen begann.» Aber richtig rentieren würde das Blaue Bähnli erst seit dem neusten Eisenbahngesetz von 1996, bekennt Aeschlimann die Finanzlage der «sogenannten» Privatbahn. Sogenannt deshalb, weil «die Privataktionäre heute nur etwa noch zehn Prozent ausmachen.» In den Spitzenjahren nach dem zweiten Weltkrieg hätten den Privataktionären noch Dividenden ausbezahlt werden können.

Blaue Farbe bleibt

Am 28. Dezember 1987 übernahmen die neuen Tramfahrzeuge den Betrieb auf der Linie G, nachdem die Fahrdrahtspannung von 800 auf 600 Volt umgestellt worden war. «Die Reaktionen auf die neuen Trams waren durchwegs positiv, obschon von da an keine Raucherwagen mehr angeboten werden und die Sitze im Tram enger zueinander stehen», erinnert sich Jürg Aeschlimann. Durch den Serieneinkauf dieser blauen Trams, die eigentliche Zürcher Trams waren, konnten zwei Millionen Franken gespart werden. «In Bezug auf die Farbe führten wir bei den Fahrgästen vor dem Einkauf Umfragen durch; der Wunsch nach blauen Bähnlis war absolut überwiegend.»

Nach der 1988 erfolgten Sanierung der Kirchenfeldbrücke konnte die Linie G nach langen Verhandlungen am 18. April 1997 bis zur neuen Endstation Bern Zytglogge verlängert werden. «Der Wunsch nach einer Fahrt über die Brücke ist schon sehr alt, denn schon 1910 wurde erstmals ein Vorstoss in diese Richtung gemacht.» Diese wurden in den 70er Jahren wiederholt. Die Fahrt über die Brücke hat sich gelohnt, denn bis Ende 1997 benützen zwölf Prozent mehr Fahrgäste die Züge der Murilinie.

Altes Dampftram

Am 10. und 11. Oktober finden mit dem Fest zum Jubiläum 100 Jahre RBS-Linie G und 25 Jahre Tramverein Bern im Burgernziel in Bern und um das Bahnhofgelände in Worb die kulturellen Anlässe einen Abschluss. «Nach einer Ausschreibung Anfang Jahr durch das Atelier Worb wählte ein Team, unter Ihnen der RBS-Direktor Peter Scheidegger, verschiedene Projekte aus, die bis dato das Jubeljahr umrahmten,» weiss Jürg Aeschlimann, der zugleich OK-Präsident des grossen Abschlussfestes im Oktober ist. Die Einnahmen des Jubiläumswochenendes sind für die Restaurierung des bis 1902 in Bern aktiven Dampftrams (Baujahr 1848) gedacht. Dieses Dampftram sollte dereinst wie der «Feurige Elias» eingesetzt werden. «Das Dampftram würde den Bogen zurück zu den Anfängen des Blauen Bähnlis eigentlich besser schlagen als der Ende der 60er Jahre erworbene deutsche Dampfzug mit Baujahr 1949», denkt Aeschlimann.

BZ, 9. Oktober 1998

Bähnli wurde modernes Tram

Die Konkurrenten von einst sind Freunde geworden. Immer enger arbeitet das «blaue Bähnli» nach Worb mit dem Tram in der Stadt Bern zusammen. Am Wochenende wird die RBS-Linie G 100jährig.

Stephan Künzi

Am Anfang stand eine Fehlplanung. Als sich kurz nach 1850 die Ingenieure an die Planung einer Bahn von Bern nach Luzern machten, lag es nahe, den ersten Abschnitt durchs Worblental zu legen. In und um Worb regte sich allerdings Widerstand. Man fürchtete, die Bahn werde «ganz unnöthigerweise eine schöne Gegend von Grund aus verwüsten», und der Kirchgemeindepräsident meinte gar, dass «es weniger schlimm wäre, wenn das ganze Dorf abbrennen würde». So kam es, dass die Bahn einen weiten Bogen ums Worblental machte. Als sie 1864 eröffnet wurde, lag der Bahnhof Worb 1,6 Kilometer vom Dorf weg.

Was das Worblental nur wenig später als Fehlplanung bitter beklagte, ist heute sein Glück. Dieser Meinung zumindest ist Peter Scheidegger, Direktor des Regionalverkehrs Bern-Solothurn (RBS). Nach langem Hin und Her erhielt Worb 1898 eine erste und 1913 eine zweite Schmalspurbahn. Beide Bahnen gehören heute zum weitverzweigten Netz des RBS und fahren im Zehn- bis Fünfzehn-Minuten-Takt nach Bern. Die ältere, die Linie G, feiert am Wochenende den hundertsten Geburtstag.

Premiere im Kirchenfeld

Zeitlebens war das Schicksal der «Bern-Muri-Gümligen-Worb-Bahn», wie die Linie G bei der Eröffnung hiess, eng mit jenem des städtischen Trams verknüpft. So übernahm die Berner Tramway-Gesellschaft in den ersten Jahren den Betrieb des neuen Bähnlis, das zwischen Egghölzli und Helvetiaplatz über Stadtberner Boden dampfte. Das städtische Tram selber fuhr erst 1901 über die Kirchenfeldbrücke ins Burgernziel - und musste das Verdienst, dem Kirchenfeld das erste Gleis gebracht zu haben, wohl oder übel der Bahn nach Worb überlassen.

Das Klima zwischen den beiden Unternehmen war nicht eben gut. Da gab es nicht nur immer wieder Streit auf der Doppelspur Helvetiaplatz-Burgernziel, die beiden Partnern zur Hälfte gehörte. Lange Zeit empfand man sich als Konkurrenten, missgönnte sich jeden Passagier. Die Stadt wollte deshalb die Verantwortlichen des Worber Bähnlis dazu drängen, die Endstation ins Burgernziel zurückzuverlegen. Was sich diese nicht bieten lassen wollten: 1904 nahmen sie die Verwaltung ihrer Bahn in die eigenen Hände.

Die erste Fusion

Die Bern-Worb-Bahn, wie das Unternehmen seit 1907 hiess, orientierte sich fortan anderweitig. Sie übernahm den Betrieb der nach und nach entstehenden Schmalspurbahnen von Bern nach Zollikofen (1912) und durchs Worblental (1913) sowie jenen der normalspurigen Sensetalbahn (1910). 1922 kehrten die Bern-Zollikofen-Bahn, die nun zur Solothurn-Zollikofen-Bern-Bahn (SZB) wurde, und die Sensetalbahn der Gemeinschaft den Rücken. Übrig blieb die Worblentalbahn, und damit war die Zukunft der beiden Unternehmen vorgespurt: 1926 schlossen sie sich zu den Vereinigten Bern-Worb-Bahnen (VBW) zusammen.

In der neuen Gesellschaft wurde die seit 1910 elektrifizierte Linie über Muri zum Vorzeigestück. Die Frequenzen nahmen, anders als im noch ländlichen Worblental, stetig zu. Was auf heutigen Vorortsbahnen üblich ist, kündigte sich bereits an: Morgens und abends drängten die Pendler in die überfüllten Züge, doppelt geführte Kurse waren keine Seltenheit. In den Randzeiten dagegen wurden einige Züge nur vom Wagenführer bedient.

Bus statt Zug

In den fünfziger Jahren wendete sich das Blatt. Zwischen Ittigen und Worb wurde rege gebaut, plötzlich stiegen im Worblental mehr Leute ein als auf der Murilinie. Noch grösser wurde die Differenz 1974, als die Worblental-Linie nicht mehr am Kornhausplatz, sondern im Berner Hauptbahnhof endete. Wen wundert's, dass schon früh laut über eine Umstellung der Murilinie auf Busbetrieb nachgedacht wurde. Ein Versuch zeigte 1959 allerdings, dass ein Bus im immer dichteren Verkehr schlicht stecken bleiben würde.

Schuld an dieser Diskussion waren nicht nur die mageren Frequenzen. Auf der gefährlichen Muri-Allee zwischen Burgernziel und Egghölzli kamen sich Autos und Züge auch immer mehr in die Quere. Die Situation entschärfte sich erst 1969, als mit Blick aufs neue Saali-Tram die Doppelspur gebaut und diese in die Strassenmitte verlegt wurde. Wenig später schaffte man auf dem gemeinsamen Trassee klare Besitzesverhältnisse. Die VBW verkauften ihren Teil ans Stadtberner Tram, das mittlerweile zu den Städtischen Verkehrsbetrieben Bern (SVB) gehörte.

Immer mehr ein Tram

Spätestens jetzt war das Verhältnis zum Partner in der Stadt endgültig aufgetaut. Ja, die Murilinie, die als Linie G seit der Fusion von VBW und SZB zum RBS gehörte, wurde mehr und mehr selber zum Tram. 1987 verdrängten neue, tramähnliche Fahrzeuge die alten, als «blaues Bähnli» bekannten Triebwagen. Jahre zuvor verschwunden war bereits der Kondukteur.

Diskutiert wurde in den achtziger Jahren auch, die Linie G über das Tramnetz der SVB bis zum Berner Hauptbahnhof weiterzuführen. Nach den guten Erfahrungen im Worblental hoffte man, der Murilinie so zu neuem Schwung zu verhelfen. Allein, das Vorhaben scheiterte am Nein aus Worb, das für nötige Ausbauten kein Geld haben wollte. Wenigstens gelang 1997 die Verlängerung an den Casinoplatz - und prompt stiegen die Frequenzen um 12 Prozent.

Vielleicht bringt die Zukunft noch mehr Tram. RBS und SVB überlegen jedenfalls, Tram und Murilinie noch enger zu verknüpfen. Vieles ist dabei möglich - auch, dass der RBS die Murilinie gänzlich an die einstige Konkurrentin SVB abtritt. So ändern die Zeiten.

Jubiläumsfest am Samstag und Sonntag im SVB-Depot Burgernziel (11 bis 18 Uhr) und am Sonntag in Worb und auf der RBS-Linie G (10 bis 17 Uhr).

Altherren mussten zahlen

«Am 17. Mai 1950 drangen elf Studenten nach Betriebsschluss in Muri in den dort abbestellten FE 4/4 25 ein und manipulierten am Fahrkontroller. Als am Morgen der Strom eingeschaltet wurde, setzte sich der Triebwagen führerlos Richtung Stadt in Bewegung. Dieser entgleiste schliesslich in Bern-Kirchenfeld mit einer Geschwindigkeit von etwa 65 bis 70 Stundenkilometern und zerschellte am Brunnen des Welttelegraphendenkmals. Der Triebwagen war fast vollständig zerstört und konnte später, finanziert durch die Altherren der fehlbaren Studenten, durch ein zweckmässiges Fahrzeug ersetzt werden.»

Aus: Jürg Aeschlimann, Regionalverkehr Bern-Solothurn, Prellbock-Verlag Leissigen, 1998.

Der Bund, 10. Oktober 1998

ÖFFENTLICHER VERKEHR

Blaues Bähnli jubiliert nicht allein

Das Muritram, das 12 Prozent mehr Passagiere befördert seit sich die Endstation beim Casinoplatz befindet, ist 100jährig. Dieses Jubiläum wird an diesem Wochenende zusammen mit dem Tramverein Bern begangen, der ebenfalls jubiliert.

MICHAEL MÜLLER

Die Organisatoren des grossen Jubiläumsfests richten mit der grossen Kelle an: Gleich auf zwei Plätzen soll dieses Wochenende gefeiert werden, nämlich im Depot Burgernziel der Städtischen Verkehrsbetriebe (SVB) und in der Tramremise Worb. Damit wird ausgedrückt, was die Linie G des Regionalverkehrs Bern-Solothurn (RBS) so wichtig macht: Die Verbindung zwischen Stadt und Land, der Kontakt zwischen dem Zentrum und der Peripherie. Und wer sich für keinen der beiden Festplätze entscheiden kann und sich weder hier noch dort, sondern unterwegs zuhause fühlt, hat immer noch die Gelegenheit, auf der Fahrt zwischen Bern und Worb in historischen Tramkompositionen den Feiertag zu begehen.

Altes Rollmaterial

Dies allerdings ist nur am Sonntag möglich, denn am Samstag konzentrieren sich die Festivitäten ganz auf das Burgernziel. Gastgeber ist hier der Tramverein Bern (TVB), der sich die Erhaltung von altem Rollmaterial auf die Fahne geschrieben hat. Neue Fahrzeuge würden meist mit Pauken und Trompeten begrüsst, fast niemand frage aber, was mit den alten Wagen geschehe. «Meist werden sie vergessen und gehen den Weg zum Schrotthändler. Jahre später fragt man sich plötzlich, weshalb man keinen dieser Zeugen einer historischen Entwicklung erhalten hat», stellt der TVB in den Unterlagen zu seinem 25. Geburtstag fest.

Saurer-Schnauzenbus

Dieses Wochenende besteht Gelegenheit, diese stummen Zeugen aus Eisen und Stahl im Burgernziel zu besichtigen. Seit der Modernisierung des SVB-Schienenmaterials vor 25 Jahren hat der TVB insgesamt 15 Fahrzeuge zusammentragen können - darunter ein Stadtberner Saurer-Schnauzenbus mit Baujahr 1929, ein SVB-Tramzug aus dem Jahr 1935, ein Triebwagen der Montreux-Oberland-Bahn (MOB) und - als ältestes Modell - eine Dampftram-Lokomotive mit Jahrgang 1894. Sie kann am Wochenende allerdings nur zerlegt gezeigt werden, da sie zurzeit renoviert wird.

Die 15 Fahrzeuge des TVB sind an neun verschiedenen Standorten, fast in der ganzen Schweiz und sogar im Ausland eingelagert. Eine unbefriedigende Situation für die Mitglieder des Tramvereins. Sie haben darum folgende Vision entwickelt: Eine grosse Halle als Berner Busmuseum, in der auch Schienenfahrzeuge ausgestellt werden könnten - quasi ein zweites Verkehrshaus.

Diese Vision will der Tramverein dieses Wochenende an die Öffentlichkeit tragen; er sucht neue Aktivmitglieder und neue Ideen, «um auch weitere Fahrzeuge noch vor dem Verschrotten retten zu können», wie er schreibt.

Trolleybus-Kino

Am Festprogramm wird es jedenfalls nicht liegen, wenn der TVB keine neuen Mitglieder gewinnen kann. Nebst kommentierten Rundfahrten in einem historischen Bus, der erwähnten Ausstellung, diversen Verkaufs- und Informationsständen sowie einer Festwirtschaft wird sogar ein Trolleybus-Kino zu besichtigen sein.

Ein Stück jedoch, sozusagen der Anlass für das grosse Fest, nämlich das Bläue Bähnli selber, wird leider fehlen. Der Tramverein besitzt zwar zwei Kompositionen des legendären Zugs; sie sind jedoch in einer Garage im Elsass.

Am 21. Oktober 1898 nahm die Dampfbahn von Bern über Muri und Gümligen nach Worb ihren Betrieb auf. Ab 1910 war die Linie der Bern-Worb-Bahn, wie sie seit 1907 hiess, elektrifiziert. 1927 schloss sie sich mit der Worblentalbahn zu den Vereinigten Bern-Worb-Bahnen (VBW) zusammen, und drei Jahre später erhielten die Züge den blau-weissen Anstrich, welcher der Linie den Namen Blaues Bähnli eintrug.

«Feuriger Elias»

Während am Samstag ausschliesslich im Burgernziel gefeiert wird, steigt das Fest am Sonntag auch in Worb. Es beginnt um 10.00 Uhr mit einem Brunch in der Tramremise. Ab Worblaufen verkehrt ein Dampfzug (Abfahrt 9.33 Uhr). Das TVB-Cüpli-Tram bringt ab 9.00 Uhr die Bernerinnen und Berner nach Worb. Zwischen den Festplätzen verkehren zwischen 12.00 und 17.00 Uhr drei historische SVB-Tramkompositionen sowie das RBS-«Bistro Bleu». Ausserdem fährt der Tramzug «Feuriger Elias» ausnahmsweise zwischen Worb und Gümligen.

100 Jahre Blaues Bähnli / 25 Jahre TVB
Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr SVB-Depot Burgernziel. Sonntag 10 bis 17 Uhr in Worb

Der Bund, 12. Oktober 1998

BLAUES BÄHNLI

«Bahnsytig aagfrässe» auf dem Weg nach Worb

Vor 100 Jahren ist die Linie in Betrieb genommen worden. Am Wochenende haben zahlreiche Bahnbegeisterte den Geburtstag des Blauen Bähnlis gefeiert unter ihnen drei Männer, die zwischen Bern und Worb viel zu erzählen wussten.

Von Wartburg Fritz, Böhlen Rolf und Wälti Edgar haben vor der Führerkabine des Trams Stellung bezogen. Wälti Edgars Frau steht dabei. Von Wartburg und Böhlen sind Lokführer, und Wälti hat in Gümligen jahrzehntelang die Züge abgefertigt. Alle drei kennen ihn wie ihre Westentasche, den schnellsten Weg nach Worb.

Sie sitzen ja normalerweise in ihrem Kabäuschen hinter einer abgedunkelten Glaswand, und man kennt sie ja eigentlich gar nicht, die Tram- und Zugführer. Da hat so ein Fest doch seine positive Nebenerscheinung. Man sieht einmal, wie die Männer zuvorderst im Tram eigentlich aussehen.

Früher sei dies anders gewesen, sagt von Wartburg Fritz. Früher habe der Tramführer noch alles gemacht - Billette verkauft und kontrolliert, Güter eingeladen und so weiter. Da hatte man noch Kontakt zu den Leuten. Heute seien viele Stationen nicht mehr bedient. «Früher durfte man nicht abfahren, ohne zu fragen.» Und beim Rangieren habe man selber schauen müssen, dass niemand darunter kam, seinerzeit.

Der Zug fährt ab. Vom Burgernziel rechts in die Muriallee.

Es gibt Leute, die sagen, Bähnler seien ein «eigetes Völklein». Eines hat sich am Samstag und am Sonntag gezeigt: Bähnler sind gute Väter. Wieviele Buben wurden auf die Schultern gehoben, als der SVB-Be 4/4 145, B311 herannahte. Alle durften sie auf der Fahrt in die Führerkabine schauen. Und besonders stolz waren die Buben, wenn dann der Vater seinem Kollegen im Führerstand zuwinkte, als das Tram davonfuhr. Der Bähnler-Gruss hat gewisse Ähnlichkeit mit dem Töffahrer-Gruss. Nur steckt scheint's mehr Engagement dahinter, wenn die Bähnler zum Gruss ihren Zeigfinger in die Fahrtrichtung des Zuges ausstrecken, im Sinn von «gute Fahrt Kamerad du wirst Deinen Weg machen hier geht's durch».

Ein bisschen «eiget» sind die Bähnler aber vielleicht schon. Unsereiner fotografiert ja meist nur in den Ferien oder bei einem Familienfest die Kinder. Und wenn es hoch kommt vielleicht mal eine Dampflokomotive. Bähnler hingegen fotografieren praktisch ausschliesslich Bahnwagen und riskieren dabei erst noch Kopf und Kragen. Wie jener Mann, der am Sonntag in Gümligen aus dem Zug gesprungen ist, bevor dieser hielt; dann rannte er an die Spitze der Lokomotive, wobei die schwere Fototasche an seine Hüftknochen schlug, dass es einem beim Zuschauen weh tat, und er dann noch fast unter den Zug stolperte.

Böhlen Rolf ist auch einer von ihnen. «Bahnsytig aagfrässe», sei er und besitze 107 Schachteln mit insgesamt wohl gegen 40'000 Dias - nur mit Bahnen, und 12 Bundesordner voller Ansichtskarten - nur mit Bahnen. Da ist von Wartburg Fritz mit seinen von A bis Z selber gebauten Modelleisenbahnwagen gerade noch heilig dagegen.

Es war übrigens trotz den Wolken genügend hell zum Fotografieren am Wochenende. Vielleicht weil die Bähnler und Trämler, die haufenweise zwischen Bern und Worb anzutreffen waren, so strahlten. Es musste nur heissen:«RBS-Be 4/8 83» oder «SVB-Bre 4/4 647, Br 312» und schon glänzten ihre Augen, als wäre Weihnacht und Ostern gleichzeitig, oder wie dem Berner Gemeinderat Guggisberg seine Augen, der sich am Samstag auch noch schnell im Burgernziel zeigte.

Wo wir grad von heilig gesprochen haben - rechts ist gerade noch die Kirche von Muri zu sehen, bevor der Zug zum Seidenberg hochfährt, wo früher einmal ein Bauernhaus und ein grosser Nussbaum standen. Von Wartburg Fritz weiss genau, wo man noch Überreste des Wurzelstocks sieht. Aber schon vorbei. Apfelbäume übrigens hat's dort immer noch. Wälti Edgars Frau hat kürzlich aufgelesen. Suurgrauech.

Im Melchenbühl wird gekreuzt, dann geht's rein nach Gümligen, wo Wälti Edgar damals im Holzschuppen seinen Dienst versah. Hier befindet sich auch der Graben, wo sich von Wartburg Fritz wahrscheinlich seinen Rücken geholt hat. Die breitspurigen SBB-Wagen werden hier auf schmalspurige Rollschemel geladen, wobei die Schemel untereinander mit bis zu 120 Kilo schweren Eisenstangen verbunden werden. Weil die SBB-Wagen immer länger wurden, musste man mit der schweren Stange in der Hand unter die Wagen kriechen - natürlich Gift für den Rücken. Und dies bei jedem Wetter. Kam noch das Rheumatische hinzu.

«Aber mit der Sicherheit nehmen sie es heute schon viel genauer als damals. Da kannst du fast keine Fehler mehr machen», sagt von Wartburg Fritz. Und wenn man irgendwann ein Signal überfahre, zu schnell oder zu langsam sei, werde man sofort automatisch gestoppt, und noch 14 Tage lang sei dann alles gespeichert im Computer. Sonst habe die Elektronik aber sicher ihre Vorteile - wenn sie nicht spuke. Dafür seien die Züge viel leiser geworden, fügt Böhlen Rolf hinzu. Das ist aber nicht nur positiv. Kürzlich nämlich kam Wälti Edgars Frau fast unters Tram, weil sie es nicht kommen gehört hatte. So hat alles seine zwei Seiten.

Worb. 585 m ü. M. Endstation. Schön sanft hält der Zug. Das sei nicht etwa selbstverständlich, sagt von Wartburg Fritz. Es gebe nämlich zwei Sorten von Tramführern: Die einen fahren schön langsam in den Bahnhof ein, indem sie sukzessive das Tempo verringern, die anderen warten bis zum Schluss mit Bremsen, so dass es den Fahrgästen den Kopf nach vorne drückt wie dem Negerli in der Sonntagsschule, wenn es einen Batzen bekommen hat. Von Wartburg Fritz ist einer von denen, die es gelassen nehmen und an die Passagiere denken: «Ob man eine Minute früher oder später in den Himmel kommt - was nützt es.»

Apropos Himmel: Kühl war's schon ein wenig am Wochenende. Frieren mussten die RBS-Angestellten aber nicht; sie haben gerade neue dunkelblaue Faserpelzjacken bekommen, die scheint's gehörig lang herausgekommen sind und manchem Bähnler fast bis zu den Knien reichen.

Von Wartburg Fritz nimmt's wie gesagt gern ruhig. Nur wenn zwischen der Haltestelle Helvetiaplatz und der neuen Endstation Casinoplatz jeweils bis 40 Fahrgäste einsteigen - «nur für über die Brücke», dann ärgert er sich jeweils ein bisschen. Man ist ja schliesslich nicht irgendein SVB-Tram, sondern das Blaue Bähnli.

MICHAEL MÜLLER